Eigentlich wollte ich heute mit den Gärten meiner Schleswig-Holstein Reise weitermachen. Als ich mich jedoch daran erinnerte, wie eine Gärtnerin in der Nähe von Bremen auf ihre Rittersporne schwor und noch mehr auf die Samen-Tüten von Jelitto, die so gut auf Keim-Festigkeit geprüft werden, dass sie niemals grössere Ausfälle, wie bei anderen Saatgut-Firmen erlebt hätte, plante ich spontan um. Ich tauchte noch einmal in mein Fotoarchiv ab und möchte nun mit Euch erst einmal einen "kurzen" Abstecher zu Till Jelitto nahe Wien machen.
Wie sehr freute ich mich, auf meine Anfrage, ob ich den Garten besichtigen dürfe, eine positive Antwort zu bekommen. Viel Zeit hatte Till verständlicherweise nicht.
Als vormaliger PR-Manager eines Technologie-Unternehmens und langjähriger Tätigkeit als Research Fellow an einer Top100 Universität, gründete er später PR&D, dessen Managing Partner er bis heute ist. Und nun, eines dienstags morgens betrete ich den Garten mit großer Spannung, aber keinerlei Vorstellung, was mich erwarten würde.
Der erste Blick auf die wichtigsten Sicht-Achsen zeigt mir, dass die unterschiedlichen Höhenniveaus architektonisch sehr geschickt angelegt und klug zur optischen Raumvergrößerung genutzt wurden. Das Gelände war sicher schwer in den Griff zu bekommen. Aber wo anders sollte ein Hanseate residieren als hoch über der Stadt - mit "Weitblick"! Ab 2017 wird sie nicht mehr der Peripherie Wien, sondern dem Bezirk Tulln angehören.
Eryngium zabelii 'Big Blue' mit Rudbeckia fulgida var. sullivantii 'Goldsturm'
Als ein Mitarbeiter von Karl Foerster in einer tschechischen Gärtnerei eine besonders reichblühende Variante von Rudbeckia fulgida fand, gab ihr der Stauden-Papst den Namen 'Goldsturm'. Nach dem II. Weltkrieg wurde diese zu einer der beliebtesten Sommerstauden. Selbst in den USA trägt sie bis heute ihren deutschen Namen. Die Samenhandlung Jelitto, die der Vater von Till gegründet hatte, konnte zu dieser Beliebtheit einen wichtigen Beitrag leisten, so sagt Till: "Goldsturm war eine der ersten Jelitto 'Goldkorn'-Samen, bei der die vermaledeite Keimruhe gebrochen werden konnte."
Was für ein interessanter Garten! Was für ein interessanter Mann! Aber... meinen Leib- und Magenspruch "Zeige mir Deinen Garten und ich sage Dir, wer Du bist", den habe ich mir in diesem Garten abgewöhnt. Das Gerüst passte durchaus zu dem Bild, das ich mir von diesem weltoffenen, intelligenten und doch der norddeutschen Heimat sehr verbundenen Menschen gemacht habe. An der Pflanzung irritierte mich einiges, bis ich später von Till die Information bekomme: "Die erste Bepflanzung sollte ein paar Reminiszenzen an Stauden mit Familien-Bezug haben." Ah!!! es muss also hier heißen: "Zeige mir vor dem Garten Deinen Stammbaum, dann verstehe ich Dich und Deinen Garten tatsächlich".
Ein ganz wichtiger Eye-Catcher ist sicher die "Lutyens"-Bank, die mittig im höchst gelegenen Garten-Bereich thront! Die beiden Randbeete verjüngen sich nach hinten, die Bäume (Prunus schmidtii mit säulenförmigem Wuchsform) die in den Mixed-Bordern rechts und links die Linien in Richtung Bank flankieren, scheinen sich vor der Majestät zu verneigen, die allerdings selten hier Platz nimmt, weil der unten seitlich platzierte Pavillon zu einladend "im Weg steht". Und... mit diesem architektonischen Kniff wirkt die Entfernung tatsächlich viel größer als sie in Wirklichkeit ist.
Eine weitere Hommage an die Familientradition sind die Astilben arendsii Hybriden. Till meint dazu: "Es gibt auch ein paar Astilben arendsii im Garten, weil mein Großvater Leo Jelitto bei Georg Arends (Urgroßvater von Anja Maubach) in den 1920er Jahren in der Lehre war, als diese Astilben-Sorten entstanden sind." Mir war der Name des Großvaters von einem meiner wichtigsten Pflanzenbücher bereits ein Begriff: "Die Freiland Schmuckstauden" von L. Jelitto begründet, mit Schacht und Fessler erweitert und später vom Ulmer Verlag als gutes Handbuch, das bis heute Bestand hat, herausgegeben. Mit immer größer werdendem Vergnügen und Interesse tauche ich noch tiefer in diese interessante Familiengeschichte ein.
Um einen Teil der Böschung sanft abzufangen, wurde über den gesamten Terrassen-Bereich, unterbrochen von einer Treppe, mit leichtem Schwung sich weiterwindend, eine Natursteinmauer quer über das Grundstück gebaut. Die Mauer ist auch ein schützender Hintergrund für den Teich, der so üppig bestückt ist, dass er sich völlig natürlich einfügt.
Endlich hört es zu regnen auf und die Seerose blickt mit großem ungläubigem Auge noch etwas verschlafen in den blauer werdenden Himmel.
Die Herrin des "Dosenöffners" Till interessiert sich mehr für das Regenwasser, die Feinschmeckerin mag wohl kein kalkhaltiges Wasser trinken.
Blutweiderich (Lythrum) mit Echinops (Kugeldistel)
Im Internet finde ich eine Beschreibung von Klaus Jelitto, dem Vater von Till, wie er zum erfolgreichen Samen-Händler wurde:
"...denn ich war der einzige männliche Nachkomme in der Familie mütterlicherseits, welche die 1788 gegründete Firma J.M. Helms Söhne, Forst- u. Waldsamen und Klenganstalt in Tabarz/Thüringen betrieb... Mein Einstieg in das selbständige Samen Geschäft erfolgte etwas gewunden über Umwege. Es war zunächst die "Klaus Jelitto Gartenbau-Agentur" für Skandinavien, die ich 1957 beim Gewerbeamt in Stuttgart eintragen ließ. Standort war aber sogleich Landskrona in Schweden. ..."
Das liest sich so spannend, dass ich am liebsten den ganzen Text hier hereinkopieren würde, aber wen es interessiert, wie schwer die ersten Jahre waren, wie klug und bedacht die Firma dann bald zum Erfolgsmodell wurde und wie auch kriminelle Energie diesen Erfolg nicht aufhalten konnte, der kann diesen Bericht leicht ergoogeln.
Es berührt mich auch sehr, wenn ich daran denke, dass mein Mann mir öfter erzählte, dass sein Vater als Samen-Händler in Norddeutschland gearbeitet hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich diese beiden Männer gekannt haben.
Inzwischen bin ich beim anderen Ende der Mauer angekommen und wende mich "bergab"! Wieder schafft eine ruhige Grasfläche Raum. Wieder gibt es keine starren Quadrate oder Rechtecke, die spielerische Auflösung von Flächen und Vermeidung von geometrischen Formen ist sehr wichtig in einem terrassierten Hang.
Die Wiederholung von Bewährtem wirkt großzügig. Auch hier verjüngt sich der Rasen, diesmal zum Seitenende des Gartens hin. Wieder gibt es keine scharfe Ecke, aber den weißen Eye-Catcher, hier in Form der Hydrangea 'Annabelle'.
Zwischen den Stauden tauchen immer wieder die auflockernden Gras-Horste von Calamagrostis acutiflora 'Karl Foerster' auf. Diese filigranen Elemente wirken großzügig und leicht und bringen beim leichtesten Windhauch Bewegung in die Rabatten.
Überflüssigen Schnick-Schnack gibt es nicht im Garten. Die wenigen Dekorationsstücke sind in der Regel funktionstüchtig und passen vom Material und den Farben her hervorragend in die Bepflanzung. Sie stehlen den Blumen nicht die Schau - sie ordnen sich auch nicht unter - sie erhöhen die Wirkung auf den Betrachter auf angenehme Weise.
So können plötzlich Assoziationen entstehen - sind das nun Echinaceen mit Perovskia - oder vielleicht doch Donauwellen? Ich stehe zwei Meter vom Zaun entfernt, die Donau glitzert etwas träge in die ersten Sonnenstrahlen. Der dunkelgrüne unauffällige Zaun und die nicht vorhandene Hecke leiten den Blick über die Sonnenhüte hinweg direkt zum Fluss hinab. Wie schön, auch hier hat sich der Hanseate den Weitblick bewahrt.
Verschwenderisch verteilt fügen sich diese Sonnenhüte im Jelitto Garten ein, sie fühlen sich hier offensichtlich wohl. Till meint: "Die Echinacea purpurea 'Magnus' führte mein Vater Klaus Jelitto für den schwedischen Züchter, Magnus Nielson in Europa ein.
Dazu möchte ich ergänzen, dass 'Magnus' schon 1988 in den Versuchen der Staatlichen Versuchsanstalt für Gartenbau in Weihenstephan als "wertvolle Sorte" am höchsten bewertet wurde von allen Echinaceen. Staude des Jahres wurde sie 1998 in den USA und ebenfalls in Schweden. Von der Royal Horticultural Society erhielt sie 2003 als einzige Echinacea-Sorte die höchste Bewertung.
Noch einmal führt eine Treppe auf ein tieferes Gartenniveau - ich nenne ihn einfach den Souterrain-Garten. Üppige Hostas und Salomonssiegel lassen nicht vermuten, dass es hier gerade mal einen halben Meter Erdaufschüttung gibt.
Von hier aus hat man den schönsten Blick auf die Klosteranlage.
Was soll ich sagen, lieber Till? Es ist Zeit Abschied zu nehmen, aber nicht mit "leb wohl" besser mit "auf Wiedersehen". Du kommst aus einer Familie mit so vielen grünen Genen, dass es ist für mich nachvollziehbar ist, dass Du die Herausforderungen Deines Lebens auf anderen Gebieten suchen wolltest. Dein Garten jedoch ist in meinen Augen etwas ganz besonderes - er ist für mich ein wunderbarer, moderner "lebender Stammbaum", in dem man sich sehr wohlfühlen kann! Danke.
Wer noch mehr Bilder aus Till Jelittos Reich sehen möchte, vor allem auch seine kunstvollen Foto-Mikro-Darstellungen, dem lege ich seine Facebook-Seite ans Herz.
https://www.facebook.com/profile.php?id=100001607291668
Es lohnt sich auf jedenFall, die mit humorvoll lyrischen Texten untermalten Fotos zu betrachten!
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